Die Nachrichtenprofis by Laszlo Trankovits
Autor:Laszlo Trankovits [Trankovits, Laszlo]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Frankfurter Societäts-Medien GmbH
veröffentlicht: 2016-08-15T00:00:00+00:00
5 Finanzierung von Nachrichtenagenturen:
ständiger Balanceakt
„Warum Chef einer Nachrichtenagentur zu sein ein unmöglicher Job ist“
Überschrift bei der Medienplattform Fusion, 9. April 2015
Kein Medium ist naturgemäß mehr darauf angewiesen, mit Nachrichten zumindest bescheidene Gewinne zu machen, als eine unabhängige, nicht vom Staat getragene privatwirtschaftliche Nachrichtenagentur. Über 150 Jahre lang war das Agenturgeschäft insgesamt sehr lukrativ – bis die digitale Revolution dieses Geschäftsmodell massiv in Frage stellte. Denn der Zugang zu Informationen für jedermann wird immer leichter, die Ware Nachricht in der Regel immer billiger. In einer zunehmend fragmentierten, tribalisierten Gesellschaft werde die Zielgruppen immer kleiner und zahlreicher, die Interessen driften auseinander. Nachrichtenagenturen als Dienstleister aller Medien müssen das McDonalds-Phänomen fürchten: die wachsende Unvereinbarkeit der unterschiedlichen Konsumbedürfnisse ihrer Kunden.
Als im April 2015 Andrew Rashbass seinen Posten als CEO von Reuters Media kündigte, löste das manches Erstaunen aus. Der frühere Economist -Chef war erst 2013 zum sehr profitablen Thomson Reuters-Konzern gekommen. Eine sehr schlichte Erklärung lieferte die Medienfachseite „Fusion“: Es sei heute einfach unmöglich, mit Nachrichten noch Profite zu erwirtschaften, eine Situation wie diese aber sei für einen begabten und ehrgeizigen Medienmacher wie Rashbass nicht akzeptabel, so etwas verkürzt die Analyse des „Fusion“-Autors.
Wie verunsichert auch große und finanzstarke Nachrichtenagenturen sind, zeigt die Entscheidung von Reuters im Juni 2015, erstmals in ihrer Geschichte Teile ihrer Dienste digitalen Medien kostenlos anzubieten. Begründet wurde es mit dem Bestreben, in diesen digitalen Umbruchzeiten einem größeren Publikum die „preisgekrönten Nachrichteninhalte“ von Reuters zugänglich zu machen. 58
Nachrichtenagenturen waren lange unverzichtbar
Nachrichtenagenturen entstanden Mitte des 19. Jahrhunderts und schienen bald unverzichtbar. Die Agence Havas in Paris konnte als erste Agentur eines Landes die französischen Zeitungsverlage überzeugen, dass sie mit Havas und ohne eigene Korrespondenten kostengünstiger zuverlässig Nachrichten beziehen konnten. 1851 startete in London die Nachrichtenagentur Reuters, die sich vor allem auf Börsen- und Wirtschafts-News spezialisierte. In Berlin offerierte ab 1849 das Wolff’sche Telegraphenbüro seine Dienste. Ähnlich verlief die Entwicklung in den USA, wo 1880 bereits 355 amerikanische Zeitungen die genossenschaftlich organisierte AP bezogen.
Havas und Reuters waren die ersten
In Europa schlossen sich 1870 Havas, Reuters und Wolff zu einem Agenturkartell zusammen, das bis in die 30er Jahre des vergangenen Jahrhunderts funktionieren sollte. Völlig der Vergangenheit gehörte das Bündnis erst mit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs an. Seit dessen Ende aber besteht eine enorme Konkurrenz zwischen den Nachrichtenagenturen, deren Zahl auf über 180 weltweit stieg. Zwischen vielen Agenturen gibt es Kooperationen und einen Austausch der Dienste.
Wirklich unabhängig – und damit auf eine Finanzierung über den Markt angewiesen – sind nur ein gutes Dutzend Nachrichtenagenturen. Drei Viertel der Agenturen sind staatlich und oft nicht viel mehr als Verlautbarungsmedien der jeweiligen Regierungen. Aber auch die renommierte AFP basiert in Frankreich zum Teil auf einer öffentlich-rechtlichen, also auch staatlich beeinflussten Finanzgrundlage. Die angesehene spanische Agentur Efe befindet sich in Staatsbesitz und wird aus dem Staatsäckel mitfinanziert.
Bis in die 90er Jahre hinein machten die unabhängigen Agenturen vor allem mit den Tageszeitungen, aber auch mit elektronischen Medien und zunehmend mit Nichtmedienkunden hohe Umsätze. Seit dem Siegeszug des Internets und in seiner Folge der kostenlosen Verbreitung von Nachrichten gerät das Geschäftsmodell des unabhängigen Nachrichten-Groß- und Zwischenhandels in arge Bedrängnis.
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